Rückschau: Fidschi Rettung für Korallenriffs
Rückschau: Fidschi
Rettung für Korallenriffs
Sendeanstalt und Sendedatum: SWR, Sonntag, 22. November 2009
Weltweit lässt der Klimawandel die Meerestemperaturen steigen mit einem verheerenden Kollateralschaden: Die Korallenriffe sterben langsam ab. So auch auf den Fidschi-Inseln im südpazifischen Meer. Das kleine Dorf Waitabu stemmte sich als erste Gemeinde auf den Fidschis gegen die Folgen: Die vorgelagerten Riffe wurden als Naturschutzgebiete ausgewiesen, Touristen und Taucher dürfen nur nach einer ökologischen Einführung zu den Korallen, Fischer müssen ihre Fangtechniken umweltverträglich machen. Seitdem erholen sich die temperatur- und stressempfindlichen Korallen wieder sichtbar. Über 200 Dörfer sind inzwischen dem Beispiel von Waitabu gefolgt und haben Schutzgebiete angelegt – mit der Hoffnung, dass ein gesundes Riff der Erwärmung der Meere zumindest länger standhält.
Bildunterschrift: Korallenriff ]
Anflug auf den Inselstaat Fidschi. Unten – wie aus dem Bilderbuch - unser Ziel: Korallenriffe. Sie gehören zu den artenreichsten Ökosystemen der Welt, sie ernähren Menschen, schützen Küsten und bringen Ländern wie Fidschi viel Geld durch Touristen. Doch in wenigen Jahrzehnten, so befürchten Wissenschaftler, könnten sie tot sein.
Hier unten ist der Arbeitsplatz von Helen Sykes. Die Korallenexpertin untersucht Riffe. Sie legt den Rahmen regelmäßig an bestimmten Stellen aus und guckt, wie sich die Korallen in dem Bereich entwickelt haben: Sie zählt sie, notiert die Farben und das Fischvorkommen. Daran kann sie erkennen, wie gesund die Riffe sind. Verschmutzung, Überfischung, Stürme und vor allem die Erderwärmung setzen den Korallen bereits zu. Weltweit gilt ein Viertel aller Riffe als zerstört – mit weitreichenden Folgen.
„Ohne Korallen gibt es keinen Platz, wo sich kleine Fische ernähren können“, warnt die Meeresökologin Helen Sykes. „Wenn es keine kleinen Fische gibt, verlieren die Großen ihre Nahrung. Und ohne große Fische bleibt nichts mehr für die Menschen. Korallen sind der Anfang der Nahrungskette von so ziemlich allem, was im und vom Meer lebt.“
Bildunterschrift: Fidschi-Insel Taveuni ]
Wir sind auf Fidschis drittgrößter Insel, Taveuni: ein Südseeparadies. Der Tourismus ist noch eine Randerscheinung, anders als in den großen Urlauberregionen des Landes. Die Menschen leben in kleinen Dörfern sehr traditionell ohne Waschmaschinen, Fernsehen – und Strom gibt es auch nur ein paar Stunden am Tag aus dem Generator.
Das Sterben der Riffe bedroht Millionen Menschen wie die Bewohner von Waitabu. Außer von ihren Feldern ernähren sich die 160 Einwohner vor allem von Fischen, die für sie die wichtigsten Eiweißlieferanten sind. Fürs Abendessen gehen holen sie mit Speer oder Fangleine zum Dorfstrand.
Vor rund zehn Jahren, erinnert sich Benindito Matana, merkten sie hier zum ersten Mal, dass etwas nicht stimmt: Sie fingen weniger Fische, und die wurden immer kleiner. Beim Tauchen sahen sie, dass ihr Riff an mehreren Stellen kaputt war: Sie hatten zu viel gefischt und im flachen Wasser die Korallen nicht geschont.
„Einige haben Netze ausgeworfen und sind dabei in Gummistiefeln über die Bereiche gelaufen, wo die Fische waren. Dabei haben sie die Korallen abgebrochen“, erzählt er.
Bildunterschrift: Meeresökologin Helen Sykes ]
Kurz danach passierte etwas weit Dramatischeres. Helen Sykes führt uns zu Trümmerlandschaften, die das Wetterphänomen El Nino verursacht hat. Korallen sind extrem temperaturempfindlich. Veränderte Strömungen erwärmten das Meer damals stellenweise stärker als normal. Nur vorübergehend. Doch das reichte: Weltweit kam es zur sogenannten Korallenbleiche, zurück blieben verödete Kalkskelette. So könnten alle Riffe absterben, warnen Forscher, sollte das Meer durch den Klimawandel dauerhaft wärmer werden.
Dann zeigt sie uns noch etwas: Das sind tote Korallen, auf denen neue entstanden sind. Fidschis Riffe haben sich von der Hitzewelle zum Teil wieder erholt und sich als anpassungsfähiger erwiesen als andere. Helen Sykes glaubt daher, dass die Riffe noch nicht ganz verloren sind.
„Global betrachtet ist Fidschi sehr wichtig. Sollte es gelingen, den Klimawandel aufzuhalten und die Temperatur wieder zu senken, dann sind es Orte wie Fidschi, wo die Korallenarten vorhanden sind. Und mit ihnen kann man andere Korallenriffe wiederbeleben, die bereits abgestorben sind“.
Das Dorf Waitabu hat damals gehandelt und einen 900 Meter langen Teil seines Riffes zum Meerespark erklärt, in dem nicht mehr gefischt werden darf. So bunt sieht es dort heute wieder aus. Fische können sich in ungestört vermehren, wachsen und schädliche Algen fressen, die sonst die Korallen töten.
Gegen Klimawandel können sie zwar nichts tun, aber die Dorfbewohner baten Helen Sykes, ihnen zu helfen, das Riff zu retten. Heute zertrampeln sie keine Korallen mehr und schonen Fische, die für das Gleichgewicht im Riff wichtig sind. Ogostino Apao managt den Waitabu Marine Park. Er hat die Aufgabe von seiner verstorbenen Mutter übernommen und sein Studium unterbrochen: Wie wichtig der Riffschutz ist, haben hier alle begriffen. Seine Mutter, so Ogostino, habe immer gesagt: Die Früchte des Projekts sind für deine Zukunft und für die deiner Kinder, nicht für mich.
Bildunterschrift: Messung der Fische ]
Ogostino misst regelmäßig die Größe der Fische, die rund um das Schutzgebiet gefangen werden. Die Daten schickt er an die Universität, die den Gesundungsprozess des Riffs auswertet. Aber sie brauchen keine Zahlen, um die Veränderung zu sehen.
„Die Fische, die wir heute fangen, sind wieder größer als noch vor ein paar Jahren“, stellt Ogostiono Apao erfreut fest.
Unter Anleitung dürfen Touristen in den Park, der mittlerweile zu den besten Schnorchelgebieten der Insel zählt. Vorher werden sie informiert über die Bedeutung von Riffen und Korallen. Mit den Einnahmen wird Schulgeld für Kinder ärmerer Familien bezahlt.
Abends sitzen die Bewohner von Waitabu zusammen und trinken Kava, ein traditionelles Wurzelgetränk. Auf ihr Projekt sind sie stolz – denn es wurde zum Vorbild für andere. Über 200 Dörfer haben auf Fidschi mittlerweile ein Schutzgebiet – und die Hoffnung, dass ein gesundes Riff der Erwärmung der Meere zumindest länger standhält…
Autor: Mario Schmidt, ARD Tokio
Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 22.11.2009. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
DasErste.de - Weltspiegel - Fidschi (22.11.2009)
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